Polemik: öffentlicher, meist unsachlicher Meinungsstreit im Rahmen politischer oder wissenschaftlicher Diskussionen (Bertelsmann Universal Lexikon, Band 14, Seite 98, 1993)
Wem nützt das?
Nun hat wohl die Mehrheit der Leser-Berater für die neue, bessere “Thüringer Allgemeine” deren Chef Paul-Josef Raue empfohlen, es doch einmal mit
Polemik
zu versuchen. Es geht gegen das nach Steuern zweitliebste Thema der Deutschen: das Behördenunwesen am Beispiel der Thüringer Landesmedienanstalt (TLM). Das klingt gut und schafft Sympathien beim Leser. Immerhin sind 100 Millionen Euro im Jackpot, also zu gewinnen.
Was treiben die überflüssigen und zu teuren Beamten? Sie erteilen „mit großem Aufwand Lizenzen für private Hörfunk- und Fernsehsender in unserem kleinen Land und“ kontrollieren „Medien, die einer Kontrolle nicht bedürfen“, lässt Raue den TA-Leser wissen. Vier Absätze weiter verlässt er plötzlich seine Unsachlichkeit. Mit Bezug auf das Format eines Lokalfernsehsenders „Auf ein Wort – Bürger reden Klartext“ fordert er doch tatsächlich die Durchsetzung einer gesetzlichen Regelung ein, wonach politische Werbung unzulässig ist. Wie nun? Die Behörde, die er abgeschafft sehen will?
Eine Medienanstalt deutschlandweit würde nach Raue ausreichend sein. Hier folgt er wieder dem Votum. Das Internet ist jedoch keine typisch deutsche Erscheinung. Noch verbreiten sich aber nicht alle Medienprodukte ausschließlich über das Netz. Ist auf den Informations-Wortanteil der beiden landesweiten privaten Hörfunksender zu achten, damit aus ihnen kein Dudelfunk wird. Muss kontrolliert werden, ob die lokalen Fernsehsender das Trennungsgebot von Redaktion und Werbung einhalten. Sind Menschen in den Regionen zur selbstbestimmten und kreativen Nutzung der Medien zu befähigen.
Nicht nur unsachlich, sondern beleidigend äußert sich Raue gegenüber den Medienpädagogen, Lehrern, Betreibern von Offenen Kanälen. Seiner Meinung nach verfügten sie zwar über viel Geld, leisteten aber wenig Sinnvolles. Weil sie sich nicht um die Lesekompetenz vor allem von jungen Leuten kümmerten. Wer so etwas liest, bedauert entweder, dass er diese Kompetenz erworben hat. Oder bestellt die Zeitung gleich ab. Allein die TLM-Medienwerkstatt unterstützt jährlich bis zu 5.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene bei der Projektarbeit und durch Workshops zu aktuellen Themen wie Internet, Handy und Computerspiele. Hinzu kommen das PiXEL-Fernsehen des Offenen Kanals in Gera, das Projekt RABATZ, die medienpädagogischen Qualifizierungsseminare für Lehrer/innen und Erzieher/innen.
Ein Medienbetrieb ist ein Musterbeispiel für funktionierende Kommunikation. Meint man. Wenn fünf Briefe des TLM-Direktors möglicherweise nicht auffindbar oder deren Inhalt in der Führungsebene nicht allen bekannt ist, belustigt das kaum jemand. In jenen Bittstellerschreiben hatte die unfähige Behörde der Zeitungsgruppe Thüringen eine Zusammenarbeit bei der Vermittlung von Medienkompetenz vorgeschlagen. Antwort? Siehe Thüringer Allgemeine vom 28. Juni 2011.
Mit solcher Polemik schafft sich ein Medium selbst ab. Wer dem Leser ewig hinterherläuft, sieht eines Tages nur noch dessen Po!
(rl)