Hallo, gibt es eine Zukunft?
(rl) 20 Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen des “Hallo Erfurt” hat der Verlag CMAC im September einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht Erfurt gestellt. Als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde der Fachanwalt für Insolvenzrecht Dirk Götze bestellt. Die derzeit 15 Ausgaben der Hallos erscheinen (zunächst) weiter. Zugleich arbeitet man an einem Fortführungs- und Sanierungskonzept, wozu auch Gespräche mit Investoren gehören.
Ausschlaggebender Grund für die Zahlungsunfähigkeit des Verlags sei der “immer härter werdende Wettbewerb des Zeitungs- und Verlagswesens”, heißt es in einer Pressemitteilung des Insolvenzverwalters. In eigener Sache wird Geschäftsführer Martin Schiffner auf seinem Onlineportal Deutschland today schon deutlicher.
Von einer anderen Zeitung wurden Preisnachlässe von bis zu 87% gegenüber Kunden gewährt. Beilagen sind für 9,99 EUR je 1.000 Exemplare über Jahre vom Mitbewerber verteilt worden. Die „HALLOS“ haben in 20 Jahren Geschäftstätigkeit einen solchen Preis nie einem Kunden angeboten.
…
Auch für Anzeigen gab es nach Auffassung der Geschäftsleitung Rabatte von bis zu 85% auf den ursprünglichen Listenpreis.
Insider ahnen, welche Zeitung gemeint ist.
Der Verteilpreis für Beilagen von 9,99 EUR ist ruinös. Als auskömmlicher Preis wird 20,00 EUR in Branchenkreisen genannt. Doch kann die Version von Insolvenzverwalter Götze, “die Auftragsbücher des Verlagshauses sind reichlich gefüllt”, und Geschäftsführer Schiffner, der die Ursache im Verdrängungswettbewerb sieht, stimmig sein?
Lässt sich Götzes Aussage noch als schlechte PR interpretieren, weil Aufträge nur reichlich vorhanden sein können, wenn ausreichend Geld in die Kasse kommt, muss man bezüglich des Verdrängungswettbewerbs 20 Jahre zurückblicken.
1994 existierte ein bunter Markt an Anzeigenblättern in Thüringen. Allein in Erfurt standen drei Anzeigenblätter im Wettbewerb: Allgemeiner Anzeiger, Erfurter Wochenblatt, Stadtanzeiger. Was passiert, wenn ein weiterer Konkurrent hinzukommt, der Werbekuchen nicht größer wird? So viele Argumente, die Anzeigenkunden in sein Blatt zu locken, gibt es nicht. Man könnte die bessere Druckerei haben, das farbigere Anzeigenblatt, den größeren redaktionellen Teil. Für eine solide wirtschaftliche Basis reicht das nicht aus. Um an Anzeigen und Beilagen zu kommen, bietet man wahrscheinlich den Werbekunden der etablierten Verlage günstigere Preise. Sicher nicht auf dem niedrigen Niveau wie heute. Der Preiskampf setzte jedoch eine Spirale in Gang, in dessen Folge zuerst der Stadtanzeiger, später das Wochenblatt aufgeben mussten. – Verdrängungswettbewerb.
Erschienen die Hallos zunächst im Wesentlichen in den Städten an der Perlenkette (Autobahn A4), expandierten sie später u. a. nach Südthüringen. Noch heute sind Branchenfachleute nicht gut zu sprechen auf den “Eindringling”. Es ist nicht nur die Sicht des Platzhirsches, der sich über Konkurrenz beklagt. Vor allem der Druck auf die Anzeigenpreise in einem wirtschaftlich schwierigen Umfeld macht ihnen zu schaffen.
Soziale Standards der Beschäftigten, weil nicht unwesentlicher Kostenbestandteil, spielen bei der Preisgestaltung schon eine Rolle. Die Gleichung könnte lauten: bei niedrigeren Anzeigenpreisen hat man geringere Einnahmen = niedrigere Einkommen der Beschäftigten. Tarife, an die man sich halten müsste, existieren für Anzeigenblätter bundesweit nicht.
Die 142 Festangestellten, freien Mitarbeiter und über 3.100 Zustellern hoffen nun, dass sich die Konsequenzen des ruinösen Preiskampfs in Grenzen halten und ihnen eine sichere Perspektive geboten wird. Ob das ohne Eingriffe in die bestehenden Arbeitsverhältnisse möglich ist, lässt sich derzeit schwer einschätzen. Sanierungskonzepte ohne Einsparungen beim Personal sind jedoch kaum bekannt.
20 Jahre “Hallo” und die Insolvenz können für die Beschäftigten auch Anlass sein, wie beim Wochenspiegel und Allgemeinen Anzeiger einen Betriebsrat zu wählen. Nach dem Gesetz ist er für Interessenausgleich und Sozialplan zuständig. Außerdem muss der Arbeitgeber die Interessenvertretung der Arbeitnehmer rechtzeitig und umfassend über seine Pläne informieren. Das gehört auch zu einer sicheren Zukunft.
Das Wolfsgesetz des Kapitalismus – ob Fleischer oder Verleger, es kann jeden treffen! Siehe Wochenblatt und Stadtanzeiger. Da müssen wir keine blutigen Tränen weinen, denn meist haben die Alphatiere ihre Schäfchen schon ins Trockene gebracht, bevor der Insolvenzverwalter überhaupt einen Fuß in die Tür setzt. Ein kleiner Trost für alle, die es schon erwischt hat oder denen es vielleicht noch an den Kragen geht: “Man besitzt nie etwas wirklich. Nur eine Zeitlang bewahrt man es auf…”
die ZGT hat den Laden geschluckt.
Was sagt uns das? Gottes Mühlen mahlen langsam, aber trefflich fein!
Also Gott hat nun wirklich nichts damit zu tun! Der DJV sagt kein Wort dazu, das ist ja auch bezeichnend!
Es ist ja schon erstaunlich, dass es so ruhig um das Verschwinden der Hallos ist. Was bleibt denn jetzt noch für eine mediale Auswahl? ZGT-Blätter OTZ, TLZ, TA, die sich die Artikel hin und her tauschen? Oder der Allgemeine Anzeiger, auch ZGT und auch zum Sterben langweilig? Die Luft für mediale Vielfalt in (Mittel-)Thüringen ist ja schon lange sehr dünn. Und nun ist noch ein Blatt verschwunden. Dem Kommentator vor mir möchte ich gern zustimmen. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit für das Verschwinden der Hallos und vor allem eine kritische Betrachtung der nun noch eintönigeren Medienlandschaft Thüringens wünsche ich mir seitens des DJV. Von wem sonst könnte man hier noch etwas Kritik erwarten? Traurig, traurig.
Es ist nicht schön was da passiert, noch schlimmer ist das keiner ein Wort darüber verliert. Man könnte meinen es interessiert keinen.
Was hat der DJV mit diesem Blatt zu tun? Nichts! Die Mehrheit ist sicher erleichtert, dass der Briekasten nicht mehr zugemüllt wird. Nur die CDU wird vielleicht ihr Propaganda-Blättchen vermissen. Den ehemals Beschäftigten kann man nur gratulieren, dass sie nun nicht mehr mit diesem Dreck in Berührung kommen.
DJV = ZGT – und Onkel Tom steckt bis zum Hals in deren Arsch!
Besser als im Schuldenberg der CMAC. Vom Niveau her kann das Posting wohl nur aus dieser Richtung kommen.
immerhin gibt er es zu
Der Mindestlohn hätte 2015 sowieso das Aus für die Hallos bedeutet. Bei über 3.000 Zustellern wären einige zusätzliche Mitarbeiter nötig gewesen, um die Verteilbezirke alle zu bewerten und die Stück- auf Stundenlöhne umzurechnen. In der Stadt mag es noch gehen, aber auf dem Land kann kein Verlag kostenlose Blätter mehr flächendeckend verteilen.
Der Pleitier Martin Schiffner ist jetzt Unternehmensberater, das schüttelt sogar ein Schwein!
Ich habe gerade nach Bildern von Martin Schiffner gegooglt und glaube, dass da nicht nur finanzielle Defizite eine Rolle spielen.
Das liegt vielleicht an den Synapsen, Herr Kollege!
Die Analyse wird wohl ein steiniger Weg in die Tiefe werden, fürchte ich.
Es gibt im Netz auch einen sehr schönen Beitrag von Salve-TV, ein Gespräch zwischen Schiffner und der Rührei-Journalistin. Da sind die Hallos noch auf dem Weg zur Weltherrschaft. Schade, das es so dumm gelaufen ist!
Liebe Frau Bolte, Sie haben bei dem “das” hinter dem Komma ein “s” vergessen! Für die Hallos hätte es gereicht, aber hier fällt es schon ins Auge!