Den Journalismus neu erfinden!
Experimentieren statt Jammern! Diese Forderung richtete Anita Grasse, DJV-Landesvorsitzende in Thüringen, in ihrer Begrüßungsrede auf dem Bundesverbandstag der Journalistengewerkschaft in Weimar an die Berufskollegen:
Von meinen knapp 400 Facebook-Freunden sind gut die Hälfte Journalisten. Entsprechend hoch ist die Zahl an Kommentaren zu den aktuellen Medienentwicklungen. Doch eines vermisse ich in den meisten Diskussionen: Es geht immer um die anderen und ihren Einfluss auf den Journalismus der Zukunft. Um Verlage, Sender, User, Leser, Zuschauer oder die Politik. Doch nur selten geht es darum, welchen Einfluss wir haben. Und mit “wir” meine ich nicht uns Gewerkschafter. Mit “wir” meine ich jeden einzelnen Journalisten in diesem Land. Welche Art von Journalismus wollen wir künftig machen? Wie wollen wir in Zukunft arbeiten und für wen?
Fänden wir Antworten auf diese Fragen, würden die Schritte zu dem Journalismus, den wir uns wünschen, immer kürzer.
Ich persönlich möchte mit meinem Beruf nicht nur meine Brötchen verdienen. Hin und wieder will ich auch ein Steak essen.
Aber die Zeiten, in denen mir das von anderen serviert wurden, sind vorbei. Heute muss ich mir schon selbst eins braten. Das heißt aber auch, dass ich lernen muss, wie man das macht – ohne es außen zu verbrennen und innen auszubluten, ohne es staubtrocken zu braten oder wie ein Schnitzel in Panade zu ersaufen.
Übersetzt heißt das: Will ich als Journalistin, zumal als Freie, heute erfolgreich sein, muss ich wissen, wie das geht – und zwar von der Recherche bis zum Beschwerdemanagement. Ich muss meine Ziele und Zielgruppen kennen, und wissen, wo sie nach guten Geschichten suchen. Ich muss mein Handwerk beherrschen – und das der Buchhalter, Werbeverkäufer und der Kundenbetreuer. Ich muss meinen Ausspielkanälen Aufmerksamkeit widmen, um einzelne Geschichten auch sauber gesteuert an einzelne Zielgruppen ausliefern zu können.
Ein gutes Steak braucht Leidenschaft, Geduld und Können. Eine gute Geschichte auch. Für ein gutes Steak zahlen die Menschen. Ich bin überzeugt: Für gute Geschichten tun sie es auch. Wir müssen sie nur endlich wieder erzählen, diese Geschichten – und selbstbewusst dazu stehen, dass Geld kostet, was wir tun, weil wir es gut tun.
“Jeder kann schreiben”. Diesen Spruch hat doch jeder von uns schon mal gehört. Stimmt sicher. Aber theoretisch kann auch jeder backen. Einen meiner Kuchen würden Sie trotzdem nur ein einziges Mal essen. Meine Backkünste sind die beste Werbung für professionelle Konditoren. Dafür kenne ich keinen einzigen Bäcker, der so schnell so gut schreibt wie ich. Und nur weil mir Spaß macht, was ich tue, ist das noch lange kein Grund, sich zu schämen, wenn ich dafür Geld nehme. Und zwar genug Geld, um davon Brötchen, Steak und den Kuchen zu bezahlen. Ich habe entschieden, für Dumpinghonorare nicht mehr zu arbeiten. Und siehe da: Ich bin immer noch Journalistin.
Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass man selbst länger im Geschäft bliebe, wenn man billiger ist als alle anderen. Das einzige, was Freie damit erreichen, ist, dass ihre Kunden sie fröhlich über den Tisch ziehen. Wer sich selbst nichts wert ist, darf auch nicht erwarten, dass andere ihn wertschätzen. Wenn ihr, wenn Sie, in derselben Region und im selben Arbeitsgebiet tätig sind, reden Sie mit einander. Sprechen Sie sich ab und halten Sie sich an das, was Sie gemeinsam als absolutes Mindesthonorar definieren! Leisten Sie es sich, “Nein” zu sagen. Nur so haben Sie die Kapazitäten und das Selbstbewusstsein, zum richtigen Auftrag “Ja” zu sagen.
Und auch dann lohnt es sich, mit einander in Kontakt zu stehen. Denn die “richtigen” Aufträge, die großen, lukrativen, verlangen oft mehr als ihre eigene Expertise leisten kann. Bilden Sie Projektteams, arbeiten Sie zusammen statt gegeneinander. Und das gilt nicht nur für Freie. Wenn Feste und Freie mit derselben Einstellung zum Beruf, zum Handwerk und zur Berufsehre, zusammenarbeiten würden, statt gegeneinander, würden nicht nur die Blätter und Sendungen besser. Über kurz oder lang würden es auch die Arbeitsbedingungen. Lernen Sie einander kennen – und zwar gut genug, um zu verstehen, warum der jeweils andere tut, was er tut wie er es tut. Sie sind einander nicht der Feind. Diese Rolle dürfen getrost jene übernehmen, die Sie gegeneinander ausspielen und mit einem Nasenwasser abspeisen wollen.
Geben Sie Ihnen Kontra. Zum einen. Zum anderen aber – und das ist die viel eindringlichere Bitte – fangen Sie an zu experimentieren. Was die Verlage nicht schaffen, können wir fertigbringen. Erfinden wir den Journalismus neu, erzählen wir Geschichten, die heute wichtig sind, statt jenen, die seit 50 Jahren erzählt werden. Entwickeln wir Formate, die begeistern, statt solche, die überfrachten. Gestalten wir Geschichten intelligent statt ohne Sinn und Verstand. Und bieten wir sie dort an, wo sie auch gelesen werden. Kurz: Hören wir doch bitte auf zu jammern – und fangen wir an zu machen.
Ohne uns gibt es Werbung, Marketing und Textsteinbrüche. Aber ohne uns wird es keinen Journalismus geben. Wir sind diejenigen, die Geschichten finden und erzählen. Wir sind diejenigen, die Leser begeistern oder verärgern. Und das eine ist mitunter ebenso gut wie das andere. Wir sind diejenigen, in deren Händen die Zukunft des Journalismus liegt. In der Theorie, wie die Anträge der nächsten zwei Tage zeigen. Vor allem aber in der Praxis. Wir müssen nur endlich anfangen. Und zwar jetzt.
Nie standen die Vorzeichen besser. Krautreporter, Wortwalz, Crowdspondent – nie gab es so viele neue, innovative Projekte wie jetzt. Und was im Großen geht, geht ganz sicher auch im Kleinen. Also nehmen wir den Schwung doch mit in die Lokalredaktionen, zu den Kundenzeitschriften, den Sendern und Portalen, für die wir arbeiten. Egal ob festangestellt oder frei – niemand von Ihnen ist Journalist geworden ohne eine gehörige Portion Idealismus und Neugier. Die müssen wir aus dem Haufen aus Überlastung, Resignation und Frust nur wieder freibuddeln. Aber das schaffen wir, so wie wir in den vergangenen Jahrzehnten so viel gemeinsam geschafft haben.
Solidarität ist das Fundament, auf dem der DJV gegründet wurde. Solidarität heißt aber nicht nur, gemeinsam auf die Straße zu gehen. Es kann auch heißen, sich zu vernetzen, um einander aufzubauen und zu unterstützen, wenn der Kampf um Anerkennung und Honorierung mal wieder an die Substanz geht.
Sind Sie noch ein Pharisäer?
(NHC II,2,39) Jesus sagte: Die Pharisäer und die Schriftgelehrten haben die Schlüssel der Erkenntnis empfangen; sie versteckten sie. Sie sind selbst nicht hineingegangen, und die hineingehen wollten, ließen sie nicht hinein. Ihr aber, werdet klug wie die Schlangen und ohne Falsch(heit) wie die Tauben.
Ein Pharisäer ist ein Moralverkäufer, der die Welt in “gut” und “böse” unterteilt, wobei die Moral (irgendeine traditionelle Verhaltensweise, die sich an die ausreichend vorhandenen Dummen verkaufen lässt), die der Pharisäer als “gut” verkauft, nicht seiner eigenen Moral entsprechen muss, bzw. in den seltensten Fällen seiner eigenen Moral entspricht. Weil jede moralische Wertung als solche schon verlogen ist, kann man auch sagen, ein Pharisäer ist ein doppelt verlogener Mensch.
“Feind” sollt ihr sagen, aber nicht “Bösewicht”; “Kranker” sollt ihr sagen, aber nicht “Schuft”; “Tor” sollt ihr sagen, aber nicht “Sünder”.
Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra.
Das trifft es genau. Der religiös verblendete Pharisäer, der selbst nicht ins Paradies hinein, sondern nur andere, die hinein wollen, daran hindern will, urteilt subjektiv moralisch wertend (Bösewicht; Schuft; Sünder), während der über Gott stehende Zarathustra objektiv sachlich wertfrei beurteilt (Feind; Kranker; Tor). Allerdings war auch Nietzsche, so wie alle seine Zeitgenossen, noch im Wertgedanken verhaftet, den man erst ablegen kann, wenn man erstens das Geld als die grundlegendste zwischenmenschliche Beziehung und zweitens sowohl den elementaren Fehler im “Geld, wie es (noch) ist” (Zinsgeld) als auch das fehlerfreie “Geld, wie es sein soll” (Freigeld) verstanden hat. Das überforderte auch den intelligentesten Philosophen, dem das heute wertvollste Wissen der Welt, die Schriften von Silvio Gesell, noch nicht zur Verfügung stand. Somit konnte sein erdachter Prophet Zarathustra noch keinen Frieden stiften und mit einem Aufruf zur “Umwertung aller Werte” ist es nicht getan. Tatsächlich gibt es gar keine “Werte”, sondern nur Preise. Und das gilt nicht nur für Waren, sondern auch für Menschen:
“Wie erstaunlich schnell der Mensch, und vorzüglich die Frau, die Servilität, die Sklavenketten abzulegen weiß, sobald die ökonomischen Verhältnisse es gestatten, erkennt man am besten an den Dienstmädchen. Mit jedem Punkt, den das Angebot der Nachfrage gegenüber auf dem “Gesindemarkt” verliert, wächst auch die Selbstachtung, die Würde der Mädchen, steigt auch die Achtung der Hausfrau vor dem Mädchen. Schritt haltend mit dem Lohn ist auch die Behandlung besser geworden. Der Mensch wird eben in seinem Tun und Denken von äußeren Verhältnissen bestimmt; er achtet eine Sache gering, die er haufenweise auf der Straße findet, selbst wenn es sich um einen Menschen handelt. Wird jedoch der Mensch selten, muss man lange suchen, um eine oft wirklich unentbehrliche Hilfe fürs Haus zu finden, so schätzt und ehrt man diese Hilfe. Die Größe der Achtung, die man einem Menschen zollt, wird wie der Preis der Ware durch Nachfrage und Angebot bestimmt.”
Silvio Gesell (aus “Die Verwirklichung des Rechtes auf den vollen Arbeitsertrag durch die Geld- und Bodenreform”, 1906)
Wem diese objektiv sachliche Feststellung jetzt subjektiv “unmenschlich” erscheinen sollte, ist selbst ein Unmensch, d. h. ein Pharisäer! Während ein Zinsgewinner (ausgenommen ein Patentinhaber) noch einen greifbaren Vorteil von der Erbsünde hat, wollen sich Pharisäer und Schriftgelehrte die Erbsünde einfach nur erhalten, “weil es ihnen so gefällt”.
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2014/11/gut-und-boese.html
@ Admin – Was soll das hier sein? Ein Texteditor oder ein Textwüstengenerator?