„Ich war echt sauer, dass sie sich bei mir nicht mehr gemeldet haben“ knallte mir eine Thüringer Lokalredakteurin an den Kopf und ich konterte: „Und ich war sauer, dass ich für drei Stunden Arbeit und 23 km Fahrt ein Honorar von 10 Euro erhielt. Das war so nicht abgesprochen! Eine weitere Zusammenarbeit kommt für mich nicht mehr in Frage.“

(ls) An diese Episode, gleich nach meinem Start in die Selbstständigkeit, musste ich denken, als ich die Ergebnisse der Umfrage unter den Freien las. Staunend nahm ich zur Kenntnis, dass das monatliche Einkommen der Freien in Thüringen bei 2.123 Euro liegt. Freie, die hauptsächlich für Tageszeitungen arbeiten, kommen „nur“ auf 1.395 Euro monatlich.

So viel?! In manchen Monaten konnte ich gerade so die Krankenversicherung zahlen und lebte von Rücklagen!

Und nicht nur einmal fiel ich in den vergangenen fünf Jahren als Journalistin gewaltig auf die Nase. Der größte Hammer war, dass mir ein Journalist beim sid (Sportinformationsdienst) ein Interview mit Betty Heidler klaute und es an 13 Medien verhökerte. Tausende Euro gingen mir durch die Lappen und damals wusste ich noch nicht, dass mir der DJV hätte helfen können.

Ich schmollte, verfluchte die Branche und schwieg. Heute würde ich kämpfen. Heute lehne ich Angebote ab, die nicht mal unter Aufwandsentschädigung verbucht werden könnten. Damals dachte ich, ich muss den CvDs nur beweisen, dass ich gut bin, dann zahlen die freiwillig ein angemessenes Honorar. Was für ein Irrtum! Nach mir folgten reichlich Berufseinsteiger, die dem gleichen Irrtum erlagen und die Dumpingpreise (er)dulden.

Es fehlte nicht viel und ich hätte aufgegeben. Ich kam einfach nicht aus dem Teufelskreis heraus. Wie auch? Es sind nicht nur die Berufseinsteiger, die die Honorare drücken. Es sind auch Bürgerreporter, die freiwillig die Seiten füllen und sich freuen, ihren Namen zu lesen.

Es ist auch das Spardiktat in allen Redaktionen, das sich in schwindender Qualität journalistischer Inhalte widerspiegelt. Sicher fällt dem Leser noch mehr ein…

Ohne das Angebot einer Festanstellung wäre ich wohl in den Untiefen irgendeiner Firma, Behörde oder Verwaltung versumpft. Ich habe das Glück, nun unter Arbeitsbedingungen schreiben zu dürfen, die wahrlich ideal sind. Aber ich weiß, damit bin ich eine Ausnahme.

11 Kommentare zu “Was verdienen freie Journalisten in Thüringen?”

  1. Johanna am 29.08.2015 um 09:28

    Einige Kollegen nutzten die Gelegenheit, sich in der HCS anstellen zu lassen. Ein Zeichen dafür, dass die dort gebotenen Gehälter weit unter Tarif immer noch besser sind, als die Honorare bei den Freien. Hinzu kommt, dass sie jetzt eine bessere soziale Absicherung haben.
    Die Frage ist aber, wer ist bereit, für die Honorierung nach den ausgehandelten Vergütungsregeln zu kämpfen? Eine rechtliche Grundlage gibt es dafür, die Honorare würden bei gleichem Leistungsangebot bei den meisten freien Kollegen um mindestens 100 Prozent steigen. Fakt ist aber auch, dass nur in seltenen Fällen die bisherige Anzahl an Artikeln abgenommen wird. Ich freue mich auf weitere Kommentare

  2. Anita Grasse am 01.09.2015 um 11:22

    Ich habe am Anfang genau denselben Fehler gemacht: Als mir jemand erklärte, 25 Euro Stunden Honorar seien eine Frechheit, er hätte jemanden, der es für die Hälfte mache, fühlte ich mich wie ein Abzocker. Heute sind meine Stundenhonorare mehr als doppelt so hoch und damit dem Markt angemessen – aber wenn ich sie bei der Akquise nenne, muss ich mich immer noch gegen die kleine Stimme in mir wehren, die flüstert, dass es eigentlich unverschämt ist, für etwas, das mir so leicht fällt und mir so viel Spaß macht, diese Preise aufzurufen.

    Und ich glaube, gegen dieses Gefühl kämpfen viele – vor allem junge – Freie. Das ist auch nicht schlimm – wenn man sie zum Schweigen bringen kann. Mir hat es geholfen, in die Kundenperspektive zu wechseln. Ob ein Preis angemessen ist oder nicht, hängt nicht davon ab, ob mir meine Arbeit leicht fällt oder nicht. Es hängt vom Bedarf des Kunden ab. Und dem fällt meine Arbeit eben nicht leicht. Er kann nicht aus dem Stand eine vernünfige Pressemitteilung texten, denn texten kann eben nicht jeder, der mal Deutschunterricht hatte. Texten ist eine Profession, in der man mit der Professionalität und der Erfahrung besser – und schneller – wird. Und davon profitiert der Kunde, weil das Geld, das er in mich investiert, letztlich sein Budget weniger belastet, als wenn er einen eigenen Mitarbeiter oder einen anderen Laien damit beauftragt, der doppelt so lange braucht.

    Bei Unternehmen funktioniert diese Taktik auch, bei Tageszeitungen eher nicht, habe ich festgestellt. Da heißt es: Nimm, was wir bieten oder lass es. Verhandeln lohnt sich zwar trotzdem, weil man hier und da schon noch mal was rausholen kann (zum Beispiel für Mehrfachverwendungen oder wenn nicht beim Geld, dann zumindest bei den Rechteregelungen), aber zum Überleben reicht die Arbeit für Lokalzeitungen in der Regel eher nicht. Meine Taktik ist deshalb, zu mischen. Ich arbeite noch für Tageszeitungen, aber eben nicht nur.

  3. Susann Winkel am 01.09.2015 um 15:20

    Ja, verdammt, freier Journalismus kann wehtun – er muss es aber nicht. – Der Satz stammt nicht von mir, sondern von Ulrike Langer und steht in der “Freienbibel” – dem Handbuch für freie Journalisten von den Freischreibern. Pflichtlektüre.

    Eine der wichtigsten Erkenntnisse des Buches: Freie Journalisten sind nicht nur Journalisten, sondern auch, nein vor allem, Unternehmer. Wer also Journalist sein möchte, aber kein Unternehmer, der sollte sich selbst einen Gefallen tun und sich anstellen lassen. Das schont die Nerven und beruhigt den Kontostand.

    Alle anderen haben einen Weg vor sich, der auch mühevoll sein kann, aber es ist ein schöner Weg. Einer, der belohnt.

  4. Livia Schilling am 01.09.2015 um 18:33

    @Anita – solange es Freie gibt, die die Mischkalkulation zulassen, wird es nie faire Honorare bei den Tageszeitungen geben. Ich verstehe nicht, wie so ein Statement aus den Reihen des DJV kommen kann?!

  5. Silvia am 02.09.2015 um 07:42

    Mischkalkulation… schön und gut, das funktioniert sicher in größeren Städten oder Ballungsräumen. Doch was macht der freie Journalist auf dem flachen Land? Ja, er nimmt was er kriegt… und dümpelt vor sich hin…
    Ich vermisse die Unterstützung des DJV, um die gesetzlich festgeschriebenen Vergütungsregeln für hauptberuflich Freie durchzusetzen. Da bleibt jeder Freie quasi für sich allein.

    Ich habe versucht, für mich zu kämpfen. Ergebnis: Ich bekam – natürlich ohne Ankündigung oder gar Erklärung – von heute auf morgen keinen Auftrag mehr von der Zeitung. So ist das halt, sie sitzen am längeren Hebel. Braucht mir keiner was erzählen von Mischkalkulation und Perspektivenwechsel…

  6. Susann Winkel am 02.09.2015 um 19:32

    Über die Verhältnisse zu lamentieren ändert ja nichts. Auf dem Land für eine Regionalzeitung, vielleicht sogar nur für eine Lokalredaktion tätig zu sein, ist kein Geschäftsmodell. Wenn nicht mehr Titel vor Ort sind und Aufträge erteilen können, bleiben nur begrenzt viele Möglichkeiten:

    1. Versuchen, bei der hiesigen Tagenzeitung eine Anstellung zu für sich persönlich vertretbaren Konditionen zu erhalten – siehe HCS Content Gesellschaft im Bereich Südthüringen.

    2. Überregionale Auftraggeber durch Spezialisierung auf eine journalistische Nische finden.

    3. Den reinen journalistischen Weg teilweise verlassen und auch andere Projekte und Aufträge für sich erschließen. Oder aber eigene journalistische Projekte auf die Beine stellen.

    4. In Ballungszentren ziehen und hoffen, sich dort mit mehr potenziellen Auftraggebern, aber auch größerer Konkurrenz besser behaupten zu können.

    5. Alles beim Alten lassen und weiterhin lamentieren.

    Theoretisch bliebe noch Punkt 6: Hoffen, dass künftig kein pensionierter Deutschlehrer mehr in die Tasten haut und dass kein “richtiger” freier Journalist für Konditionen unterhalb der Vergütungsregeln auch nur einen Finger rührt.

  7. Eva-Maria Kasimir am 15.09.2015 um 15:28

    @Susann:

    Dein Halbsatz, “der sollte sich selbst einen Gefallen tun und sich anstellen lassen”, hat mich schmunzeln lassen. Festanstellungen werden Journalisten in Thüringen schließlich hinterher geworfen

    —————

    Und die HCS ist ja nur gemacht worden, weil die Kölner es mit den Scheinselbständigen in den Redaktionen übertrieben haben. (Guckst Du hier: http://www.taz.de/!5210276/ ) Jetzt ermittelt der Zoll, u.a. auch gegen die SWMH, zu denen die Suhler gehören.

    Ich persönlich hoffe ja, dass von den Kölnern mal ein Manager eingebuchtet wird.

    Und dieses Blog hat das nächste Thema:
    Scheinselbständigkeit unter Journalisten

    Und dann das:
    So geht Hartz-4: Anleitung zum Aufstocken für (junge) Journalisten

    Grüße,
    Eva

  8. Johanna am 17.09.2015 um 08:52

    Ich freue mich über die Stimmen zur Umfrage?! In den Kommentaren treffen erfolgreiche Freie und jene, die geknechtet werden aufeinander. Und, es scheint nur weibliche Freie zu geben. Die Umfrage stellte neben den materiellen Aspekten auch jene zur Arbeitssituation. Wie sieht es bei euch aus mit Wochenenden und Abendstunden? Tagespauschalisten scheinen einen guten Stand zu haben, aber jene, die auf Zeile und Foto arbeiten? Wie ist der Trend? Geht er nicht hin zu Pauschalhonoraren? Damit könnte ja auch die Anwendung der Vergütungsregeln umgangen werden. Der DJV ist in der Umsetzung schon aktiv, doch derjenige/diejenige muss sich an diesen wenden, wenn er/sie Unterstützung benötigt oder Tipps, den besten Weg dorthin zu gehen.

  9. Susann Winkel am 20.09.2015 um 14:38

    @ Eva-Maria: Stimmt, Festanstellungen sind rar. Aber das Beispiel HCS Content Gesellschaft zeigt auch, dass eine Festanstellung mit Kompromissen für nicht wenige Journalisten attraktiver ist als der freie Status mit Dauer(geld)sorgen.

    @ Johanna: Arbeit an den Wochenenden und in den Abendstunden ist aus meiner Erfahrung besonders gefragt. In vielen (Lokal)Redaktionen herrschen ungeachtet später Druckzeiten nach wie vor recht traditionelle Arbeitszeiten (nine to five). Öffentliche Veranstaltungen finden aber meist dann statt, wenn auch die übrige Bevölkerung teilnehmen kann – also abends oder am Wochenende. Da braucht es zusätzliche Kräfte und die Freien kommen ins Spiel.

    Zu Pauschalen: Mir ist ein vorher vereinbarter und von beiden Seiten für sich kalkulierter Preis für einen Auftrag persönlich lieber als das alberne Zählen und Schinden von Zeilen.

  10. Johanna am 25.09.2015 um 12:38

    Zeilen “schinden” ist die eine Seite. Oftmals wird aus Kapazitätsgründen aus dem Aufmacher erst ein Keller und zum Schluss bleibt ein Einspalter übrig, und selbst das Foto entfällt. Hier haben die Festangestellten schon Handlungsspielraum und auch Verantwortung jenen gegenüber, die auf Zeile arbeiten müssen. Denn, liebe Susann, da hast du schon Recht, Pauschalen sind fairer, wenn jeder Freie die Möglichkeit nutzt, diese jedes Mal neu wieder zu verhandeln, sofern es sich um Auftragspauschalen handelt. Nicht vergessen sollte man, im Bedarfsfall nachzuverhandeln, sollte Unvorhergesehenes, beispielsweise die Kosten und/oder Zeit, relevant von der angesetzten Kalkulation abweichen.

  11. Anita Grasse am 04.10.2015 um 22:01

    @Livia: Wie man es macht… Immer wieder wird dem DJV vorgeworfen, er sei weltfremd und realitätsfern. Sprechen wir an, was für viele Freie Realität ist (eben die Mischkalkulation), ist es aber auch nicht Recht. Nein, im Ernst, zwei Dinge dazu: 1. Ja, ich vertrete den DJV Thüringen nach außen und innen und stehe zu seinen Überzeugungen, aber ich BIN nicht der DJV und mein Geschäftsmodell muss vor allem zu mir und meiner Lage passen. Ich mag die Arbeit für Tageszeitungen und möchte mich deshalb nicht ganz davon verabschieden, ich habe aber auch keine Lust, mich zu Tode zu arbeiten, um von dem bisschen Honorar zu leben. Also ist meine Lösung (und nicht die des DJV) eine Mischkalkulation. Das funktioniert für mich persönlich, ist aber dennoch kein Widerspruch zu unserer ständigen Forderung nach ordentlichen Honoraren.

    @Silvia: Dass du die Unterstützung des DJV bei der Durchsetzung der Vergütungsregeln vermisst, tut mir leid, denn wir tun, was wir könenn. Und eine Menge erfolgreicher Klagen beweisen das. Aber: Es gibt in Deutschland bisher kein Verbandsklagerecht, das es uns erlauben würde, FÜR unsere Mitglieder diese Klagen zu führen. Wir können es bisher nur MIT ihnen tun, was – und auch das prangern wir seit Ewigkeiten bei den zuständigen Stellen an – immer mit einem sehr hohen persönlichen Risiko für den Kollegen verbunden ist, wie du es offenbar leider auch erleben musstest. Wenn es Ärger wie diesen gibt, wäre es aber schön, ihr würdet euch auch bei uns melden. Wir können schließlich nur helfen, wenn wir wissen, dass Hilfe benötigt wird.

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