(rl) Der DJV Thüringen hatte sich im Januar 2016 entschieden, die Geschäftsführung der Mediengruppe Thüringen zu Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der TA, OTZ und TLZ aufzufordern. Diesem Handeln lag die Überzeugung zugrunde, dass die Geschäftsführung im ersten Halbjahr Maßnahmen zur Umstrukturierung bekannt geben wird. Die Ansicht teilten auch die Betriebsräte der Gruppe, mit denen sich die Gewerkschaften seit Mitte vergangenen Jahres regelmäßig treffen.
Die Antwort der Geschäftsführung auf die Verhandlungsaufforderung ist bekannt. Der 22. Februar 2016 wird noch lange im Gedächtnis haften bleiben.
Das Ausmaß der Umstrukturierungen schockierte, lähmte, machte sprachlos. Zwar werden (noch) keine UGs, eine Spezialform der GmbH, wie in Magdeburg gegründet. Die Blaupause jedoch ist vorhanden. Von 299 Beschäftigten der TA, OTZ und TLZ sollen 94 gekündigt werden. Eine Dimension, die nur mit dem Vorgehen der damaligen WAZ-Gruppe in Essen im Jahr 2009 vergleichbar ist.
Über die Notwendigkeit des Stellenabbaus in diesem Umfang ließe sich trefflich streiten, es geht wegen des Tendenzschutzes nicht. Es sei denn, der Streit wird auf der Straße ausgetragen. Die Voraussetzungen dafür sind nicht die günstigsten. Den Lokalredakteuren wurde von Anfang an erklärt, sie seien nicht betroffen und würden durch § 613a geschützt zu unveränderten Bedingungen in die neue Gesellschaft wechseln. Dass nun einige Kolleginnen und Kollegen vor einem Wechsel des Arbeitsortes stehen, ändert daran nur wenig. Um den Verlust des Arbeitsplatzes müssen vor allem die Redakteurinnen und Redakteure in den Mantelredaktionen und alle Redaktionssekretärinnen bangen.
Dann die ersten Reaktionen auf die Sparpläne der Geschäftsführung. Die Betriebsräte verlangen detaillierte Informationen und die Beratung über die geplanten Maßnahmen. Der DJV Thüringen verlangt Maßnahmen zur Verbesserung der Einnahmensituation, weil Kosteneinsparungen allein nicht die Lösung sein können. Zusammen mit Ver.di fordert die Journalistengewerkschaft Sozialtarifverhandlungen, Gewerkschaftsvertreter sitzen vorerst als externe Sachverständige mit am Verhandlungstisch.
Die Geschäftsführung verspricht der Öffentlichkeit, dass nun die Qualität der Zeitungen besser und die Lokalteile umfänglicher werden. Dazu sollen vor allem 11 zusätzliche Stellen in den Lokalredaktionen beitragen. Betrachtet man jedoch das Personaltableau wird offenbar, dass zwar künftig mehr Redakteurinnen und Redakteure für Lokalredaktionen tätig werden, aber eben nicht in Lokalredaktionen. Der bisherige Stellenplan enthält 120 Arbeitsplätze ohne die Seitenproduktion, die noch am Desk/Regionaltisch angesiedelt ist. Davon sind 113 besetzt. Nun sollen es 132 Stellen sein, davon jedoch 27 in den fünf Produktionsköpfen, die für die Seitenproduktion zuständig sein werden. Es bleiben also 105 von 120 Arbeitsplätzen in den Lokalredaktionen.
Es ist ein zähes Ringen insbesondere um jede Stelle für die Redaktionssekretärinnen. Ja, es werden nicht alle 38 Kolleginnen gekündigt. Was sich der Geschäftsführer der Mediengruppe Thüringen Service, Herr Meinhardt, jedoch leistete, kann mit Verhöhnung der Kolleginnen beschrieben werden. Er sprach ihnen die Fähigkeit ab, zentralisiert im Team in Erfurt folgende Aufgaben zu erledigen (Zitat aus der Stellenausschreibung):
- selbstständiges Telefonmanagement
- Terminplanung und -organisation
- eigenständige Postbearbeitung
- Leserkorrespondenz, Verwaltung von Leserbriefen und Vorbereitung für Veröffentlichung
- Aktualisierung und Pflege einer Veranstaltungsdatenbank und redaktionelle Schreibdienste
- Belegversand
- Personalverwaltung
- Honorarerfassung und -abrechnung
- Standort- und Materialverwaltung
- Führen von Statistiken.
Tätigkeiten, die die Kolleginnen heute ausüben – eben nur allein in der jeweiligen Redaktion.
Nach derzeitigem Stand sollen mindestens 10 Redaktionssekretärinnen gekündigt werden, was den Widerspruch der Belegschaften hervorrief und die Betriebsräte in ihrer Forderung gegenüber der Geschäftsführung bestärkte, den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen zu erklären. Selbst wenn das am Ende gelingen sollte, wird der Substanzverlust der drei Zeitungstitel unübersehbar sein.
Schlimmer als erwartet
Der Fisch stinkt vom Kopfe her. Das ist mir mal wieder (noch) klar(er) geworden, als ich dem Mitschnitt von der Veranstaltung “Zukunft ohne Zeitung-Zeitung ohne Zukunft?” in Erfurt lauschte. Nachzuhören ist er hier: https://www.djv-thueringen.de/fileadmin/user_upload/Landesverbaende/thuer/Zukunft_ohne_Zeitung.mp3
Der spitzzüngige Sergej Lochthofen erinnerte daran, dass innerhalb des Mutterkonzerns (welcher damals noch WAZ hieß) die Familie Funke die Familie Brost ausbezahlt hat. Und dann kam noch der Kauf des Hamburger Abendblattes hinzu. Nun steht zu vermuten, dass die Funke-Gruppe auf Kredit lebt. Betriebswirtschaftlich gesehen ist das brandgefährlich in einer Zeit, da das Kerngeschäft immer weiter zurückfährt. Der Fischkopf hat sich überhoben und nun wirkt sich das auf die vielen kleinen Fisch-Schuppen aus…
Ich denke schon, dass es in Thüringen schlimmer um die Zeitunng generell steht als im Rest Deutschlands. Dass nun schon ein ganzes Drittel der Beschäftigten gehen muss, ist schlimmer als erwartet. Als Beispiel nenne ich die Lokalredaktion der OTZ in Bad Lobenstein. Vor fünfzehn Jahren absolvierte ich dort mein erstes Praktikum. Die Mannschaft zählte vier Redakteure, eine Pauschalistin, circa sechs Freie und eine Sekretärin. Plus immer wieder mal Praktikanten.
Heute scheint nur noch ein Redakteur übrig geblieben zu sein. Im Impressum stehen zwar noch zwei weitere Redakteure aber die haben wundersamerweise seit fast einem Jahr nichts mehr geschrieben. Und sind im Online-Mitarbeiterverzeichnis nicht mehr zu finden. Ich nehme an, dass die Sekretärin auch eingespart werden wird. Und dann wird wohl auch das Büro gekündigt. Einer allein kann ja auch von Zuhause aus arbeiten.
Die Abwärtsspirale dreht sich so schnell. Schlimmer als erwartet.